Das Familiengericht ist eine spezialisierte Abteilung des Amtsgerichts. Mit der Reform des Familienverfahrensgesetzes zum 01.09.2009 wurde das „Große Familiengericht“ gebildet. Wie bereits in der Vergangenheit verhandeln die Familienrichterinnen und Familienrichter die Ehescheidung der Parteien sowie die mit der Scheidung zu regelnden Angelegenheiten, die sogenannten Folgesachen. Hierzu zählen zum Beispiel Unterhalt für Kinder und Ehegatten, Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich, Gewaltschutzverfahren, Wohnungszuweisung und Hausratsteilung (sog. Wohnungs- und Haushaltssachen).
Weiterhin entscheidet das Familiengericht auch über den Entzug des Sorgerechts für Kinder, wenn die Eltern das Wohl ihrer Kinder gefährden und sie ihren Erziehungspflichten im weitesten Sinne nicht nachkommen.
Zudem ist das Familiengericht auch zuständig für die Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaften und den damit verbundenen Folgesachen. Ab dem 01.09.2009 ist das Große Familiengericht auch zuständig für die Angelegenheiten, die zuvor vom „Vormundschaftsgericht“ geregelt worden sind, weil dieses im Zuge der Reform aufgelöst wird. Daher ist das Familiengericht auch zuständig für die Adoption von Kindern und Erwachsenen, die Betreuung von Volljährigen und die Vormundschaften für Minderjährige.
Nach obenVerfahren beim Familiengericht
Insgesamt wurde das familiengerichtliche Verfahren in Folge des zum 01.09.2009 in Kraft getretenen Familienverfahrensgesetztes (FamFG) neu kodifiziert. Hier wurden das FGG, Teile der ZPO und die Hausratsverordnung in einem Gesetz zusammengefasst. Die Grundstruktur des bisherigen familiengerichtlichen Verfahrens bleibt jedoch aber erhalten.
Familiensachen sind nunmehr vor allem die Sorgerechts- und Umgangsverfahren. Hier gilt weiterhin das Amtsermittlungsprinzip, d.h. dass das Familiengericht eigene Ermittlungen anstellt, Parteien aber bei der Aufklärung mitwirken müssen. Gleiches gilt für den Versorgungsausgleich, bei der Wohnungszuweisung und der Hausratsteilung sowie bei Gewaltschutzverfahren. Neu ist in diesem Zusammenhang auch, dass ab dem 01.09.2009 sämtliche Gewaltschutzverfahren beim Familiengericht verhandelt werden, so auch das Vorgehen gegen einen „Stalker“, was bislang vor dem Zivilgericht verhandelt worden ist!
Die übrigen Verfahren, die bisher nach den Regeln der Zivilprozessordnung entschieden worden sind, heißen jetzt „Familienstreitsachen“. Hierzu zählen Unterhalt für Ehegatten nach der Trennung und nach der Scheidung, Unterhalt für Kinder und Zugewinnausgleichsverfahren. Im Zuge der Reform fallen in die familiengerichtliche Zuständigkeit auch Streitigkeiten der Eheleute bei gemeinsamen Schulden und bei gemeinsam gegründeten Gesellschaften.
Bei den Familienstreitverfahren gilt nicht der Amtsermittlungsgrundsatz, sondern hier ist es Aufgabe der Parteien dem Gericht im einzelnen darlegen, was Sache ist – der Richter oder die Richterin stellt nicht oder nun in sehr engen Grenzen eigene Ermittlungen an.
Neu ist weiterhin, dass alle Entscheidungen des Familiengerichts nunmehr „Beschlüsse“ sind. Das „Scheidungsurteil“ gibt es also nicht mehr.
Weil Juristen nun einmal kompliziert denken, gilt das neue „FamFG“ für alle Fälle, die ab dem 01.09.2009 beim Familiengericht eingehen. Für alle „Altfälle“ gelten die bisherigen Regeln. Durch diesen Dschungel hilft Ihnen dann Ihre Anwältin oder der Anwalt!
Nach obenEilverfahren beim Familiengericht
In eiligen Fällen, wie bei Fragen des Umgangs- und Sorgerechts, der Zuweisung der Ehewohnung oder bei der Zahlung von Unterhalt, kann eine sog. „Einstweilige Anordnung“ beantragt werden. Im Zuge der Reform des FamFG sind die Einstweiligen Anordnungen ab dem 01.09.2009 selbständige Verfahren. Langwierige Hauptsacheverfahren sind damit nicht immer nötig!
Nach obenHilfe durch Rechtsantragsstelle und Anwälte
Die Rechtsantragstelle des Amtsgerichts hilft, Anträge an das Familiengericht richtig zu formulieren. Für die Scheidung und einige andere Verfahren ist anwaltliche Vertretung vorgeschrieben. Da das Familienrecht teilweise recht kompliziert ist, ist es sehr oft empfehlenswert, einen Anwalt oder eine Anwältin zu beauftragen. Es gibt spezialisierte Fachanwälte für Familienrecht, aber auch andere Rechtsanwälte können beim Familiengericht tätig werden.
Nach obenProzesskostenhilfe im familiengerichtlichen Verfahren
Für alle Verfahren beim Familiengericht kann man die sog. Verfahrenskostenhilfe beantragen, wenn man die Prozesskosten nicht aufbringen kann – am besten über einen Rechtsanwalt. Im Zuge der Reform heißt die Prozesskostenhilfe ab dem 01.09.2009 nun Verfahrenskostenhilfe, weitere Änderungen sind hiermit nicht verbunden.
Nach obenRechtsmittel gegen Entscheidungen des Familiengerichts
Mit dem FamFG ist auch das Berufungsrecht geändert worden. Weil es keine Urteile mehr gibt, gibt es auch den Begriff der „Berufung“ nicht mehr. Die Beschlüsse des Familiengerichts werden jetzt mit der „Beschwerde“ angegriffen. Beschwerdegericht ist bei Familiensachen immer das Oberlandesgericht, nicht das Landgericht. Gegen Entscheidungen in Verfahren, die ab dem 01.09.2009 beim Familiengericht eingereicht werden, muss die Beschwerde immer beim Familiengericht eingelegt werden, das dann die Akten an das zuständige Oberlandesgericht weiterleitet.
In der Regel besteht für Beschwerdeverfahren ein Anwaltszwang. Weil das Beschwerdeverfahren in der Regel an eine zwei- oder vierwöchige Frist geknüpft ist, empfiehlt es sich, direkt nach Erhalt der Entscheidung seinen Anwalt aufzusuchen.